In einer kleinen Stadt an der spanischen Küste, umgeben von Pinienwäldern und dem endlosen Blau des Meeres, lebten Carlos und Miguel. Carlos war 38 Jahre alt, hatte tiefbraune Augen wie stilles Wasser und eine kräftige, gebräunte Haut. Miguel, 53 Jahre alt, trug die Spuren des Lebens im Gesicht. Seine grauen Schläfen verliehen ihm Würde und Weisheit.
An einem warmen Sommerabend, als die Sonne langsam hinter dem Horizont versank und das Licht goldene Schatten auf die alten Steinhäuser warf, saßen die beiden Männer auf ihrer Terrasse. Eine Flasche Rioja stand zwischen ihnen, die Gläser halb gefüllt. Das Summen der Zikaden erfüllte die Luft, vermischte sich mit dem leisen Rauschen des Meeres.
„Es ist wieder Zeit für einen neuen Haarschnitt“, sagte Carlos lächelnd. Miguel nickte, sein Blick war sanft und voller Zuneigung. Seit Jahren schnitten sie sich gegenseitig die Haare.
Carlos holte Schere und Kamm aus dem Haus, während Miguel geduldig auf einem alten Holzstuhl Platz nahm. Der Abendwind spielte mit Miguels Haaren, als Carlos sich hinter ihn stellte. Mit ruhiger Hand begann er, die grauen Strähnen zu kürzen. Jeder Schnitt war ein Akt der Intimität, jede Berührung sprach von Vertrauen und Liebe.
„Deine Hände sind immer so sanft“, murmelte Miguel und schloss die Augen. Carlos lächelte, während seine Finger durch Miguels Haare glitten. „Weil ich dich liebe“, antwortete er leise.
Bald war der Wein geleert und die Sterne begannen am Himmel zu funkeln. Die Schere schnitt durch die Haare. Miguel spürte die Zärtlichkeit in jeder Bewegung, die Carlos machte, und erinnerte sich an die vielen Jahre, die sie zusammen verbracht hatten. Die Reisen, die Herausforderungen, die stillen Momente des Glücks – alles war in diesen Augenblicken präsent. Als Carlos fertig war, trat er einen Schritt zurück und betrachtete sein Werk. „Du siehst gut aus“, sagte er. Miguel öffnete die Augen, drehte sich um und lächelte. „Dank dir“, antwortete er, stand auf und zog Carlos in eine Umarmung. So standen sie da, eng umschlungen, während die spanische Nacht sie umhüllte. Nur das Rauschen des Meeres war noch zu hören.
„Weißt du noch, wie du mir zum ersten Mal die Haare geschnitten hast?“, fragte Miguel leise, seine Stimme kaum mehr als ein Flüstern im Wind. Carlos lächelte bei der Erinnerung. „Ja, das war in der kleinen Wohnung in Madrid. Du hast mir kaum vertraut und die Schere sah so fremd in meinen Händen aus“, antwortete er und lachte leise.
„Du warst nervös“, sagte Miguel, „aber ich wusste, dass es richtig war.“ Er drehte sich leicht, um Carlos in die Augen zu sehen. „Von da an wusste ich, dass ich dir alles anvertrauen kann.“
Carlos nickte, seine Augen funkelten im Mondlicht. „Das war der Anfang von etwas Großem, etwas Dauerhaftem“, fügte er hinzu. „Und jedes Mal, wenn ich dir die Haare schneide, spüre ich diese Verbindung wieder.“
Miguel griff nach dem Weinglas und trank einen letzten Schluck. „Lass mich dich jetzt schneiden“, sagte er und stand auf, um die Plätze zu tauschen. Carlos setzte sich auf den Stuhl und Miguel legte ihm den Umhang um. Mit geübten Händen nahm Miguel die Schere und begann, Carlos die Haare zu schneiden. Der Kamm glitt durch die dichten Strähnen, während die Schere die Enden präzise abschnitt.
„Du hast Talent“, bemerkte Carlos, als Miguel sorgfältig die Konturen seines Nackens nachzog. „Es ist die Übung“, antwortete Miguel bescheiden. „Aber auch die Liebe.“
Die Minuten vergingen, erfüllt vom leisen Schnipsen der Schere und dem sanften Rauschen des Meeres. Schließlich trat Miguel zurück und betrachtete sein Werk. Mit einem zufriedenen Nicken nahm er den Umhang ab und strich mit dem Nackenpinsel über Carlos’ Hals. „Perfekt“, sagte er und trat näher, um Carlos auf die Stirn zu küssen.
Carlos stand auf, und sie tauschten noch einmal einen Blick voller unausgesprochener Worte aus. Sie wussten, dass ihre Liebe tief und fest verwurzelt war, unerschütterlich wie die alten Pinien, die ihre Stadt umgaben.
Es war schon spät. Die beiden Männer betraten das Haus, Hand in Hand, bereit, die Nacht miteinander zu verbringen. Schere und Kamm blieben draußen auf dem Tisch. In der Dunkelheit ihres Schlafzimmers legten sie sich nebeneinander ins Bett, die Arme umeinander geschlungen. Das letzte Licht des Mondes fiel durch das Fenster, und in dieser stillen, innigen Umarmung wussten sie, dass ihre Liebe alles überdauern würde. Morgen würde ein neuer Tag beginnen. Aber in dieser Nacht fanden sie Frieden in der Nähe des anderen, in der einfachen Freude, einander zu lieben und zu umsorgen.